Brothers in Arms: Einkaufsverhandlungen in der Rüstungsindustrie

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Einkaufsverhandlungen in der Rüstungsindustrie sind ein faszinierendes Zusammenspiel aus Technik, Regularien und internationaler Zusammenarbeit, weshalb Savegain-Sourcing.com einen Blick auf die Verhandlungen in dieser Branche wirft.

Der Einkauf verhandelt in der Rüstungsindustrie ein heterogenes Portfolio an Warengruppen

Der Einkauf in der Rüstungsindustrie muss ein großes Portfolio an Bauteilen beschaffen. Das Spektrum reicht von standardisierten Bauteilen bis hin zu technisch hochkomplexen und maßgeschneidert entwickelten Produkten. Die folgenden Warengruppen sind besonders wichtig:

  • Maschinenbauteile: Ähnlich wie im zivilen Maschinenbau umfassen diese Warengruppen eine Vielzahl von mechanischen Komponenten wie Zahnräder, Lager, Wellen und andere mechanische Bauteile, die man in verschiedenen Rüstungssystemen einsetzt.
  • DIN- und Normteile: Standardisierte Bauteile nach deutschen Industrienormen (DIN) oder anderen internationalen Standards. Dazu gehören z.B. Schrauben, Muttern, Bolzen und andere Befestigungselemente, die in vielen Anwendungen zum Einsatz kommen.
  • Große Schweißbaugruppen: Diese umfassen komplexe, geschweißte Strukturen, die bei der Herstellung von militärischen Fahrzeugen und Anlagen erforderlich sind, wie zum Beispiel Fahrgestelle, Panzerungen und tragende Strukturen.
  • Motortechnik: Hierbei handelt es sich um Komponenten und Systeme für Antriebseinheiten, einschließlich Motoren, Turbinen sowie zugehöriger Teile wie Kraftstoffsysteme, Kühlsysteme und Abgasanlagen.
  • Fahrwerkstechnik: Diese Bauteile und Systeme sind für die Mobilität und Stabilität von militärischen Fahrzeugen unverzichtbar. Dazu gehören Federungssysteme, Radaufhängungen, Achsen und Bremsen.
  • Fahrzeugbau: Alles, was im Fahrzeugbau benötigt wird, einschließlich Karosserieteile, Elektroniksysteme, Innenausstattung und Kommunikationssysteme.
  • Elektronische Bauteile und Systeme: In der modernen Rüstungsindustrie sind elektronische Systeme von entscheidender Bedeutung. Dazu gehören Kommunikationssysteme, Radarsysteme, Navigationsgeräte und andere elektronische Steuerungen.
  • Software und IT-Systeme: Entwicklungssoftware, Betriebssysteme und spezifische Anwendungen für militärische Zwecke, einschließlich Cyber-Security-Lösungen und Datenmanagementsysteme.
  • Optik und Sensorik: Optische Systeme wie Nachtsichtgeräte, Zielfernrohre und verschiedene Sensoren für die Überwachung und Aufklärung.
  • Materialien und Rohstoffe: Spezielle Metalle, Verbundwerkstoffe und andere Materialien, die für die Herstellung von robusten und widerstandsfähigen militärischen Ausrüstungen erforderlich sind.

Die staatlichen Auftraggeber wenden öffentliches Preisrecht in Verhandlungen an

Das öffentliche Preisrecht ist ein Regelwerk, das die Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen in der Rüstungsindustrie regelt, insbesondere wenn es um Verträge zwischen staatlichen Auftraggebern und privaten Unternehmen geht. Es dient dazu, faire und transparente Preisverhandlungen sicherzustellen und den Missbrauch von Marktmacht zu verhindern. Hier sind die wichtigsten Aspekte des öffentlichen Preisrechts:

  • Preisbildung nach Selbstkosten: Preise werden oft auf Basis der Selbstkosten des Auftragnehmers ermittelt. Das bedeutet, dass man alle direkt und indirekt zurechenbaren Kosten berücksichtigt, zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags. Dies soll verhindern, dass Rüstungsunternehmen überhöhte Preise verlangen.
  • Vermeidung von Übergewinnen: Das öffentliche Preisrecht zielt darauf ab, übermäßige Gewinne durch Monopolstellungen oder Marktmacht zu verhindern. Man prüft genau, ob die verlangten Preise den tatsächlichen Kosten entsprechen.
  • Nachweispflichten: Unternehmen müssen ihre Kostenstruktur offenlegen und umfangreiche Nachweise erbringen. Dies umfasst detaillierte Angaben zu Materialkosten, Personalkosten, Gemeinkosten und sonstigen Aufwendungen.
  • Vergabeverfahren: Öffentliche Aufträge werden in der Regel durch förmliche Vergabeverfahren vergeben, um Wettbewerb sicherzustellen. Dazu gehören öffentliche Ausschreibungen, beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben.
  • Preisprüfungen: Staatliche Stellen führen regelmäßig Preisprüfungen durch, um sicherzustellen, dass die vereinbarten Preise den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Bei Abweichungen kann der Auftraggeber Preisanpassungen verlangen.
  • Transparenz und Dokumentation: Eine hohe Transparenz sowie detaillierte Dokumentation sind erforderlich, um die Nachvollziehbarkeit der Preisbildung zu gewährleisten. Unternehmen müssen ihre Kalkulationen und Preisfindungsprozesse offenlegen.
  • Regelungen bei Abweichungen: Bei Abweichungen zwischen den kalkulierten und tatsächlichen Kosten können daher Nachverhandlungen oder Anpassungen der Vertragspreise notwendig werden.

Offset-Geschäfte sind trotz Gegenmaßnahmen der EU immer noch Gang und Gäbe

Offset-Geschäfte sind in der Rüstungsindustrie eine gängige Praxis, bei der der Käufer, häufig ein Staat, vom Lieferanten (meist aus dem Ausland) verlangt, wirtschaftliche Vorteile oder Kompensationen zu bieten, die über den reinen Verkauf des Rüstungsguts hinausgehen. Diese Kompensationen können in verschiedenen Formen auftreten, wie beispielsweise direkte Investitionen in den Käuferstaat, Technologietransfer oder die Verpflichtung, Teile der Produktion im Käuferland durchzuführen.

Die Erlaubnis und Regelung von Offset-Geschäften hängt jedoch stark vom jeweiligen Land und dessen gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Einige Länder erlauben und fördern Offset-Geschäfte, um wirtschaftliche und technologische Vorteile zu erlangen, während andere Länder diese Praxis eingeschränkt oder verboten haben, um Marktverzerrungen und Korruption zu vermeiden.

Beispiel für die international Rolle von Offset-Geschäften in verschiedenen Ländern sind:

  • Frankreich: Unter Präsident Macron hat Frankreich Maßnahmen ergriffen, um die heimische Rüstungsindustrie zu unterstützen und zu fördern, einschließlich der Nutzung von Offset-Geschäften, um wirtschaftliche Vorteile für das eigene Land zu sichern.
  • Deutschland: In Deutschland sind Offset-Geschäfte reglementiert und unterliegen strengen gesetzlichen Vorgaben, die darauf abzielen, Transparenz und Fairness im Markt zu gewährleisten.
  • USA: Die USA erlauben Offset-Geschäfte, haben jedoch umfassende Regularien und Richtlinien, um sicherzustellen, dass solche Geschäfte im besten Interesse des Landes sind und keine nationalen Sicherheitsrisiken darstellen.
  • Europäische Union: Die EU hat eine eher kritische Haltung zu Offset-Geschäften und hat versucht, solche Praktiken zu reduzieren, um den freien Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes zu fördern.

TL-Normen als KO-Kriterium in Einkaufsverhandlungen in der Rüstungsindustrie 

Technische Lieferbedingungen (TL-Normen) sind spezifische Standards, die Lieferanten in der Rüstungsindustrie erfüllen müssen, um sicherzustellen, dass Materialien, Komponenten und Systeme den hohen Anforderungen und Spezifikationen entsprechen. Diese Normen umfassen eine Vielzahl von technischen und qualitativen Anforderungen, die Produkte erfüllen müssen, um für militärische Anwendungen zugelassen zu werden. Hier sind einige Beispiele für TL-Normen in der Rüstungsindustrie:

  • TL 8010-0001: Elektrische Leitungen und Kabel: Diese TL-Norm spezifiziert die Anforderungen an elektrische Leitungen und Kabel, die in militärischen Anwendungen verwendet werden. Dazu gehören Vorgaben zu Isolationsmaterialien, Temperaturbeständigkeit, Flexibilität und mechanischer Belastbarkeit.
  • TL 9150-0040: Schmierstoffe: Diese Norm beschreibt die Anforderungen an Schmierstoffe, die in militärischen Fahrzeugen und Maschinen verwendet werden. Sie umfasst Aspekte wie Viskosität, Temperaturbereich, Korrosionsschutz und Verträglichkeit mit verschiedenen Materialien.
  • TL 5265-0010: Beschichtungen und Lacke: Diese Norm legt die Anforderungen für Beschichtungen und Lacke fest, die zum Schutz von militärischen Ausrüstungen gegen Korrosion und Umweltbelastungen verwendet werden und schließt die Beständigkeit gegen Chemikalien, Abrieb und extreme Witterungsbedingungen ein.
  • TL 2350-0001: Batterien: Diese TL-Norm spezifiziert die Anforderungen an Batterien, die in militärischen Fahrzeugen und Kommunikationsgeräten verwendet werden. Dazu gehören Leistungsparameter, Lebensdauer, Temperaturbeständigkeit und Sicherheitsanforderungen.
  • TL 5212-0035: Schweißzusatzwerkstoffe: Diese Norm legt die Anforderungen an Schweißzusatzwerkstoffe fest, die für die Herstellung und Reparatur von militärischen Fahrzeugen und Ausrüstungen verwendet werden. Dies schließt die chemische Zusammensetzung, mechanische Eigenschaften und die Verträglichkeit mit verschiedenen Basismaterialien ein.
  • TL 8305-0015: Optische Geräte: Diese Norm beschreibt die technischen Anforderungen für optische Geräte wie Ferngläser, Zielfernrohre und Nachtsichtgeräte. Dazu gehören Anforderungen an die optische Klarheit, Vergrößerung, Witterungsbeständigkeit und Stoßfestigkeit.
  • TL 1375-0002: Textilien und Bekleidung: Diese TL-Norm spezifiziert die Anforderungen an Textilien und Bekleidung, die für militärische Zwecke verwendet werden, einschließlich der Strapazierfähigkeit, des Feuchtigkeitsmanagements, der Flammfestigkeit und der Tarnungseigenschaften.
  • TL 8370-0002: Kommunikationsausrüstung: Diese Norm legt die Anforderungen an Kommunikationsausrüstung in militärischen Anwendungen fest und umfasst Frequenzbereiche, Signalstärke, Störfestigkeit sowie Sicherheitsanforderungen.

Diese Beispiele für TL-Normen zeigen die Bandbreite der Anforderungen, die in der Rüstungsindustrie gestellt werden, um die Qualität und Zuverlässigkeit der verwendeten Materialien und Komponenten sicherzustellen. Darüber hinaus sind sie essenziell, um die hohen Sicherheits- und Leistungsstandards in militärischen Anwendungen zu erfüllen.

Hoher Quasi-Monopolanteil in Einkaufsverhandlungen in der Rüstungsindustrie

Ein signifikantes Merkmal der Rüstungsindustrie ist der hohe Monopolanteil: Etwa 60 % eines Produkts kommen von Lieferanten, die monopolistische Strukturen aufweisen. Dies resultiert aus den kleinen Serien und den langen Entwicklungszeiten, die intensive und langjährige Partnerschaften erfordern. Ein Wechsel des Lieferanten während des Produktzyklus ist nahezu unmöglich, da die Entwicklungspartner eng mit dem Produkt quasi „verheiratet“ sind.

Fazit: Erfolgreiche Lieferantenbefähigung ist das wichtigste Ziel in Einkaufsverhandlungen in der Rüstungsindustrie

Der Erfolg einer Verhandlung misst sich in der Rüstungsindustrie oft daran, wie gut es gelingt, Lieferanten weiterzuentwickeln und ihr Entwicklungspotenzial vollständig auszuschöpfen. Dies umfasst insbesondere die technische Weiterbildung der Lieferanten, damit sie das gewünschte Produkt zuverlässig liefern können. Dieser anspruchsvolle Prozess kann über mehrere Jahre hinweg dauern und beinhaltet zudem die umfassende Qualifizierung und Integration neuer Lieferanten. Gerade bei neuen Projekten, wo Auftraggeber lokale Lieferanten bevorzugen, müssen diese häufig eine komplett neue Fertigung aufbauen. Dies stellt eine der zentralen Herausforderungen des strategischen Einkaufs dar und erfordert eine enge und kooperative Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure.

Einkaufsverhandlungen in der Rüstungsindustrie sind ein hochkomplexer Prozess, der technisches Know-how, Verständnis für internationale Regularien und strategische Verhandlungsfähigkeiten erfordert. Die enge Zusammenarbeit und die langfristige Entwicklung von Lieferanten sind dabei entscheidend für den Erfolg. Trotz der Herausforderungen bieten diese Verhandlungen auch die Möglichkeit, innovative Lösungen zu entwickeln und langfristige Partnerschaften zu etablieren. Dies stellt Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit in einer kritischen Branche sicher.

Über den Autor

Dr. Oliver Mäschle
von Dr. Oliver Mäschle

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