State-of-the-Art Kostenschätzung für Softwareprojekte

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Die Kostenschätzung für Softwareentwicklung zählt zu den zentralen Herausforderungen moderner IT-Projektplanung. Ihre Qualität beeinflusst nicht nur den finanziellen Rahmen eines Projekts, sondern auch das Vertrauen zwischen Auftraggebern und Anbietern. Ob in Konzernen, Behörden oder Start-ups: Wer Software beauftragt oder entwickelt, braucht belastbare Zahlen – und nachvollziehbare Argumente. Eine präzise und transparente Kostenschätzung für Softwareentwicklung ist daher essenziell, um faire Preise zu verhandeln, Risiken zu minimieren und Projekte erfolgreich umzusetzen.

Doch welche Methoden eignen sich heute tatsächlich für die Praxis? Welche Verfahren gelten als Stand der Technik, und wo liegen ihre jeweiligen Stärken und Schwächen – insbesondere in Verhandlungssituationen? Dieser Beitrag bietet eine systematische Übersicht über aktuelle Ansätze der Kostenschätzung Softwareentwicklung, bewertet ihre Praxistauglichkeit und gibt konkrete Hinweise für die Auswahl der passenden Methode.

Größenbasierte Kostenschätzung für Softwareentwicklung: Stabil, verständlich, technologieunabhängig

Größenbasierte Methoden wie die Function Point Analysis (FPA) gelten nach wie vor als verlässliche Basis der Kostenschätzung für Softwareentwicklung. Sie messen den funktionalen Umfang eines Systems anhand von Inputs, Outputs, Schnittstellen, Dateien und Benutzerinteraktionen. Die daraus abgeleitete Punktzahl dient als Grundlage zur Berechnung von Aufwand und Kosten.

In der Praxis überzeugt FPA vor allem durch ihre Transparenz und Neutralität: Sie ist leicht erklärbar, unabhängig von Programmiersprachen und für Kunden wie Anbieter nachvollziehbar. Besonders in frühen Projektphasen – etwa während der Anforderungsanalyse – ist sie hilfreich. Allerdings setzt FPA klar definierte Anforderungen voraus. In agilen Projekten oder bei sich verändernden Zielen stößt sie schnell an Grenzen, da sie nicht für flexible, iterative Umgebungen optimiert ist.

Modellbasierte Kostenschätzung für Softwareentwicklung: Standardisiert und datengetrieben

Modellbasierte Verfahren wie COCOMO, SEER-SEM oder SLIM nutzen mathematische Modelle und Projektkennzahlen, um Aufwand und Kosten systematisch abzuleiten. Faktoren wie Codeumfang, Komplexität, Teamgröße oder Erfahrungswerte fließen in die Berechnungen ein.

Diese Methoden stehen für Standardisierung, Konsistenz und Wiederholbarkeit – besonders in Organisationen mit etablierten Projektarchiven. Sie lassen sich gut skalieren und integrieren sich problemlos in moderne Projektmanagement-Tools. Der Nachteil: Die Konfiguration erfordert fundiertes Know-how, und die Qualität der Ergebnisse hängt stark von der Güte der historischen Daten ab. In Verhandlungssituationen überzeugen sie, sofern ihre Parameter nachvollziehbar offengelegt werden können.

Expertengestützte Kostenschätzung für Softwareentwicklung: Schnell, flexibel – aber subjektiv

Die Einschätzung durch erfahrene Projektbeteiligte ist eine weit verbreitete Form der Kostenschätzung für Softwareentwicklung. Besonders in dynamischen Umfeldern oder neuen Technologiefeldern, in denen keine vergleichbaren Daten vorliegen, liefert Expertenwissen wertvolle Einschätzungen.

Ihr großer Vorteil ist die Anpassungsfähigkeit: Sie berücksichtigt projektspezifische Besonderheiten, externe Abhängigkeiten und soziale Dynamiken im Team. Doch ihre Subjektivität ist gleichzeitig ihre Schwäche. Schätzungen verschiedener Experten können stark variieren. Für Auftraggeber ist die Nachvollziehbarkeit oft eingeschränkt – besonders wenn es keine objektiven Vergleichswerte gibt.

Analogie-basierte Kostenschätzung für Softwareentwicklung: Erfahrungsbasiert, aber schwer vergleichbar

Diese Methode basiert auf dem Vergleich mit früheren Projekten. Stimmen Zielsetzung, Umfang, Technologien und Teamstruktur weitgehend überein, lassen sich Aufwand und Kosten aus den Vorbildern ableiten.

In Verhandlungen kann das Argument „Wir haben etwas Ähnliches bereits erfolgreich umgesetzt“ durchaus überzeugen – vorausgesetzt, die Parallelen sind glaubwürdig dokumentiert. Doch genau daran scheitert es oft. Gerade bei innovativen Projekten ist es schwierig, passende Referenzen zu finden. Zudem ist die Auswahl der Vergleichsprojekte häufig subjektiv, was die Methode angreifbar macht.

Kostenschätzung für Softwareentwicklung mit Machine Learning: Präzise, aber erklärungsbedürftig

KI-gestützte Methoden gelten als zukunftsweisend: Algorithmen wie Entscheidungsbäume, Random Forests oder neuronale Netze analysieren große Datenmengen und erkennen Muster, aus denen sie Prognosen für neue Projekte ableiten.

In der Theorie verspricht diese Form der Kostenschätzung für Softwareentwicklung höchste Genauigkeit. Doch in der Praxis mangelt es an Vertrauen und Transparenz. Die Entscheidungen eines ML-Modells lassen sich meist nur schwer nachvollziehen („Black Box“). Ohne solide Datenbasis und technische Expertise sind diese Verfahren zudem kaum einsatzfähig. In Vertragsverhandlungen fehlt ihnen oft die argumentative Schlagkraft, da Auftraggeber eine klare Begründung für Zahlen erwarten.

Alternative Ansätze: Fuzzy Logic, Optimierungsverfahren und hybride Modelle

Neben den etablierten Methoden gibt es eine Vielzahl alternativer Ansätze, etwa auf Basis von Fuzzy Logic oder genetischen Algorithmen. Diese Verfahren eignen sich gut zur Verfeinerung bestehender Modelle oder zur Abbildung unsicherer Parameter.

Für akademische Zwecke und interne Analysen bieten sie großes Potenzial – insbesondere wenn klassische Modelle an ihre Grenzen stoßen. In realen Verhandlungssituationen hingegen bleibt ihr Einfluss begrenzt, da ihre Komplexität schwer zu kommunizieren ist und oft keine gemeinsame Verständnisebene mit dem Kunden besteht.

Fazit: Welche Methoden überzeugen in der Praxis?

Die Kostenschätzung für Softwareentwicklung ist heute vielfältiger denn je – von einfachen Erfahrungswerten bis hin zu KI-gestützten Prognosemodellen. In der Praxis bewährt sich oft ein hybrider Ansatz: Die Kombination aus Expertenschätzung, Function Point Analysis und modellbasierten Verfahren sorgt für Plausibilität, Nachvollziehbarkeit und fundierte Argumentation.

Während maschinelles Lernen und fuzzybasierte Verfahren zunehmend an Bedeutung gewinnen, bleibt die zentrale Anforderung in Verhandlungen gleich: Die Zahlen müssen nicht nur stimmen, sondern auch verständlich, begründet und vertrauenswürdig sein. Wer also verlässlich schätzen und zugleich überzeugend argumentieren will, sollte die passenden Methoden gezielt kombinieren – und nicht allein auf Präzision, sondern auch auf Transparenz setzen.

 

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Über den Autor

Dr. Oliver Mäschle

Dr. Oliver Mäschle ist Head of Consulting beim NASHER Negotiation Institute. Seit mehr als zehn Jahren führt er erfolgreich große Industrieverhandlungen in unterschiedlichen Branchen und bringt dabei umfangreiche Expertise in Verhandlungsführung und strategischer Beratung mit.

von Dr. Oliver Mäschle

Dr. Oliver Mäschle

Dr. Oliver Mäschle ist Head of Consulting beim NASHER Negotiation Institute. Seit mehr als zehn Jahren führt er erfolgreich große Industrieverhandlungen in unterschiedlichen Branchen und bringt dabei umfangreiche Expertise in Verhandlungsführung und strategischer Beratung mit.

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